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Andere Turniere - Sonderseite 'Groningen 2008'

Gocher Nachlese (1)

von Christoph Krebel

Gocher Nachlese (2)

von Christoph Krebel

Veröffentlichungen

Eure Turnierberichte werden gerne veröffentlicht:

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Groningen 2008

Frohes Neues Jahr!

 

Da ich bekanntlich nicht der große Telefonierer bin, wünsche ich Euch auf diesem Wege - etwas verspätet (wie immer, aber dafür gibt es anschließend ausführlich und lückenlos den objektiven Groningen-Bericht: also besser eine halbe Stunde Lesezeit einplanen, die Schachspieler zwei volle Stunden) - ein glückliches und interessantes 2009!

 

Ich hoffe, Ihr seid einigermaßen gut reingekommen?!

Bei mir gab es in Clausthal eine gutbürgerliche Nachbarschaftsfeier mit ca. 10 Leuten und Fassbier, Grillfleisch und Snacks. Nichts spektakuläres, was mir auch recht war. Ich war auch noch was von Groningen angeschlagen, wo wir in den letzten Tagen noch ein bisschen aufgedreht hatten.

 

Weiß nicht, ob es den Groningenfahrern auch so ging: bei Antworten auf die (vielleicht auch rhetorisch gemeinte) Frage: „Na, wie wars in Groningen?“ hielt ich teilweise minutenlange Monologe, weil aus meiner Sicht dieses Mal zu den eher unvergesseneren gehören wird.

 

Im folgenden werde ich versuchen allgemeinverständlich zu bleiben, auch wenn Einzelheiten zu den Partien einfließen, aber die können ja ggf. überblättert werden. Es gibt viele treffende Vergleiche zwischen Schach und Fußball, so kann z.B. meine zweite Partie rein fußballerisch verstanden werden.

 

Das Turnier wurde bereits am 18.12. mit einem Paukenschlag eingeläutet: Adi, der bereits angezahlt hatte, meldete sich per Mail aus Estland: „Kann nicht kommen, bin vor einer Stunde Vater geworden!“ !

Riesen-Glückwünsche und Alles Gute an die Familie!

War natürlich schade für uns, dass Adi in Groningen nun nicht sein konnte.

 

Unser „Holländer“ Martin W. hatte bekanntlich im Vorfeld großartig alles geregelt, was die Unterkunft angeht: 2 idyllisch am Paterswolder Meer gelegene Bungalows, 5 km von Groningens Innenstadt, somit auch vom Spielort (Universität), unglaublich nah gelegen.

Aber leider nicht vom Auto aus gesehen. Bei unserem zu oft gewählten Bungalowpark „De Bloemert“ nervten oft die ca. 250m vom Parkplatz bis zum Bungalow. Diesmal sollten es 750m sein! Der erste Bungalow in der Besetzung geplant: Kai und ich + Wolfgang (Möller) ein paar Tage später. Der zweite Bungalow nach Weihnachten belegt mit Fam. Schmitt, Sigrid + Martin (Weiter); Jürgen (Koch) gesellte sich überraschend zu der zweiten Truppe hinzu und war nach einigen Jahren Pause mal wieder mit in Groningen. Beim Schachturnier wollte er nicht mitspielen, auch Martin (S.) wollte verständlicherweise die Zeit lieber mit der Familie verbringen. So spielten im Open A (9 Runden) Kai und ich mit, im Compact (Ex-„Mini“, 5 Runden) Martin (W.) erfreulicherweise nach langem Schachdesinteresse und Wolfgang, der sich als eher "passiv in 2008" einstufte.

 

Kais Auto (kleiner Kia) erwies sich als Raumwunder und war komplett gefüllt mit Gepäck, Musik-Zubehör (Lautsprecher etc.), Lebensmitteln etc., als wir am „Skandinavischen Dorf“ ankamen. Hoffentlich müssen wir nicht oft hin- und herlaufen, 750 m entspricht bei 5 km/h einer Laufzeit von 9 Min., also ca. 10 Min. ein Weg vom Basislager (Parkplatz) zum Bungalow.

Zunächst musste mit dem Auto ein „Slagboom“ überwunden werden (Schrankenkarte), und nach ca. 1 km am Parkplatz begann der unbeleuchtete, abenteuerliche Trampelpfad über lehmigen Boden und ungesicherten Brücken durch Wald und Sträucher entlang am Wasser. Das kann mit nem Bollerwagen noch richtig spannend werden, war uns bewusst.

 

Die Vermieterin Pia, eine nette ältere Dame, erwartete uns am Bungalow, nachdem sie uns telefonisch vom Skandinavischen Dorf zum Bungalow dirigiert hatte. Wir waren sofort begeistert von unserem Haus, direkt am Meer gelegen, nur getrennt durch eine Holzterrasse, die auch als Anlegesteg diente. Demnächst werden wir es mit einem Boot eh einfacher haben. (:-)

Die Ausstattung des Bungalows war überall ein bisschen besser als in den vergangenen Häusern: z.B. Tiefkühltruhe und Backofen zusätzlich. Der Aufbau ähnlich: ein großer Wohnaum mit Kochecke, Toilette, Duschraum plus „Gäste- /Bürozimmer“ im Erdgeschoss, und 2 Schlafräume und Toilette oben.

 

Also nach unserem Einzug mit 1x Bollerwagen hin- und herfahren ein perfekter Beginn. Okay, ich hatte meine neu gekaufte Spezial-Reisezahnbürste bei Kai vergessen, und konnte mir nun wegen Wochenende 2 Tage nicht vernünftig die Zähne putzen, aber das sollte noch das harmloseste sein, was vergessen wurde.

 

Das Open, in dem Kai und ich spielten, war für mich das Turnier, was bisher am stärksten besetzt war. Ich war in der Startliste 54. von 68 Teilnehmern. Kai war an 29.Stelle auch nicht gerade Top-Favorit auf Preisgeld.

Im Feld befinden sich 40 Titelträger: 9 Großmeister (GM), 18 Internationale Meister (IM), 13 FIDE-Meister (FM); ELO-Schnitt aller Teilnehmer: 2292, also 150 mehr als meine eigene ELO-Zahl.

Bem.: Vereinfacht gesagt, ist man FM ab 2300 ELO, ab 2400 IM und ab 2500 GM.

Außer den Titelträgern starteten ca. 20 sehr junge holländische vollmotivierte Schachtalente, die irgendwann sicherlich auch einen Titel haben werden. Man erinnert sich an die Partie Ende der 90er Hartmut Kipp gegen Wouter Spoelman 0-1. („Oh nein, ich muß gegen Harry Potter spielen“). Spoelman ist mittlerweile IM und belegte Groningen 2008 Platz 10.

 

Das Turnier war perfekt organisiert: es gab neben dem täglichen ausführlichen Bulletin eine exzellente Berichterstattung im Internet (http://www.schaakstadgroningen.nl/ ) mit Fotos und allen Partien, die ersten 8 wurden jeweils live übertragen. Zudem schickten uns die Organisatoren jeden Abend die Namen unserer Gegner der nächsten Runde kostenlos per SMS zu.

Die Atmosphäre war ausgezeichnet, ich freute mich auf die nächste Zeit.

 

Erwartungsgemäß landete Kai in der ersten Runde einen „Pflichtsieg“, da sein Gegner 300 ELO weniger hatte. Meiner hatte dafür 300 ELO mehr: der holländische IM Brandenburg. Mit den schwarzen Steinen war es egal, mit welcher Eröffnung ich verlieren würde, so wählte ich erstmals Skandinavisch (wir wohnten ja auch am Skandinavischen Dorf), um der Spanischen Theorie, die mein Gegner mit Sicherheit besser und tiefer kannte als ich, aus dem Weg zu gehen.

 

Nach 16 Zügen entstand eine Stellung, in der ich zwar einen Bauern weniger, aber dafür das Läuferpaar besitze.

Mit der Bedenkzeit kam ich relativ gut zurecht: nach 20 Zügen hatten wir beide jeder noch eine Stunde Bedenkzeit, was ein guter Richtwert ist, wenn man sich den Modus ansieht: Jeder Spieler hat für die gesamte Partie 105 Minuten Zeit, und er bekommt für jeden Zug 30 Sekunden dazu. In komplizierten Endspielen wird es oft eng mit den Berechnungen, nach dem 33.Zug hatte hier jeder noch 17 Min Bedenkzeit. Ich habe es leichter, muß nichts finden, und frage mich, wie Weiß seinen Mehrbauern aktivieren will. Kurze Zeit später gebe ich die Qualität für total aktive Stellung mit Freibauern. Daan Brandenburg verpulvert im 40.Zug sechs seiner übrig gebliebenen 12 Minuten und greift fehl. Nach meinem 40.Zug (den er übersehen hatte) bewertet das Schachprogramm Fritz die Stellung mit „gleichplus übereinander“, also besser für Schwarz. Letztendlich war die Stellung für die technische Umsetzung des Vorteils nicht zu kompliziert, und so gewann ich mit Schwarz gegen einen IM, was mir zuvor in einer Turnierpartie noch nie gelungen war!

 

In der 2.Runde wartete gleich der nächste IM: der Inder Rohit, ELO 2457.

An diesem Tag spielten wir die längste Partie aller Teilnehmer, gleichzeitig war es meine spannendste des Turniers:

Mit Weiß wählte ich den Londoner Aufbau, und laut Fritz stünde ich nach 7.Sb5 bereits besser. Nach Bungalow-Analyse hätte ich mit 13.Sd7:, über den ich auch lange nachgedacht hatte, das Läuferpaar sichern und mit 14.e4 gutes Spiel bekommen können.

Also im Fußball hätte, sagen wir mal Schwarz-Weiß Essen gegen Bayern München nach 20 Minuten alles im Griff, stellt sich aber eher hinten rein. Dann kommen die Bayern, spielen mehr in der Hälfte der Essener (21.Zug). Ein Essener rennt ins Abseits (22.Sde5), lamentiert gross rum, bekommt die rote Karte (22.-Se3:). Danach spielen die Essener mit einem Mann weniger sehr viel besser, und Bayern gerät heftig unter Druck (45.b4).

Mir fällt gerade auf, dass die Partie von der Turnierleitung falsch eingegeben wurde: es muß heißen: 45.-Tcd8 anstelle 45.-Tdd8.

Bem.: Seit dem 37.Zug haben wir beide weniger als 4 Minuten Zeit.

In der Folge gebe ich eine Figur für 2 verbundene Freibauern auf b6 + c6, die leider nicht durchlaufen. Rohit findet die richtigen Züge, 57.Tc8 eine Sekunde vor Bedenkzeitschluß. Nach der Figurenrückgabe muß ich die richtigen Züge zum bestenfalls zu erreichenden Remis finden, entscheide mich im 63.Zug nicht optimal (Kf4 anstelle Kf2), und verpasse eine Remischance.

In der 92.Min. schießt Bayern dann das 1-0 (65.Kf4).

Kai hatte mit Schwarz gegen GM Rotstein (später vollkommen verdient punktgleich Turniersieger) nicht viel zu lachen und verlor. Rotstein ist einer der wenigen positionellen Spieler im Teilnehmerfeld, dem relativ egal ist, wie die Eröffnung verläuft - die zahlreichen Holländer und Inder verwickelten, wo sie konnten, und fühlten sich so richtig wohl, wenn alles schön unübersichtlich und taktisch ist.

(s.Partie z.B. Afek - Venkatesh)

 

In der 3.Runde erreicht Kai gegen einen 350 ELO schlechteren Youngster leider nur remis.

Ich hatte das Glück, dass mein Gegner, der Niederländer Otte (2351 ELO) die Stellung völlig überzog, remis ablehnte und 5 Züge später verlor.

Als geteilter 12. mit einer Performance von 2540 war ich nun mehr als gut dabei. Wolfgang reiste an, und wir konnten uns allmählich auch kochtechnisch auf Weihnachten vorbereiten.

 

24.12.: Runde 4)

IM Venkatesh - Schiffer

Dehn - IM Bitalzadeh

Es waren vorentscheidende Partien, kann man nicht anders sagen:

Kai kam mit seinem Läuferpaar aus dem Sizilianer nie richtig ins Spiel, und ich fasste im Mittelspiel den falschen Plan (18.Sc4, 19.b4), so wurde das nichts mit den selbstgeschenkten Weihnachtsgeschenken.

Nach 16 Zügen (jeder noch 1h Bedenkzeit) verwarf ich 17.a4 (!) wegen 17.-c4, aber 18.bc4: scheint nicht so schlecht für Weiß zu sein, wie die Bungalow-Analyse ergab.

Der Folgeplan „Figurenopfer auf b5“, wie in der Partie geschehen, bringt zwar wieder zwei verbundene Freibauern wie in der 2.Partie, diesmal kommen diese aber nur bis b5 + c6 und das remis ist nicht in Sicht.

Trotzdem konnte ich mit 2-2 zur Halbzeit zufrieden sein, musste aber unangenehmerweise in Runde 5 mit Schwarz gegen WIM Marlies Bensdorp ran.

 

Erst mal gabs am 25.12. einen sinnvollen schachlichen Ruhetag, an dessen Abend auch endlich die Crew vom Nachbarbungalow anreiste.

Sigrid + Martin, Lara + Dörthe + Martin und Jürgen waren auch gleich begeistert, als sie den Bungalow bezogen. Da machte es auch nichts, dass Martin S seine Kulturtasche mit Zahnbürste, Kontaktlinsenwasser etc. zu Hause vergessen hatte.

Es gab lecker und reichlich Wirsing von Wolfgang, und natürlich einige Heinekens.

 

Am 26.12. starteten dann die Kompaktturniere, Martin W im Compact C und Wolfgang im Compact D dabei. Martin verliert leider, Wolfgang gewinnt.

Kai gleicht mit einem souveränen Sieg seinen Score aus.

Schon von der Partieanlage her zeige ich in der 5.Runde meine schwächste Turnierpartie.

Es entwickelt sich eine holländische Stonewall-Struktur mit geblocktem f2-f4, wobei ich am Damenflügel zügig stehe und dort frühzeitig die Situation klären möchte. Laut Fritz stehe ich bereits nach 14 Zügen schlechter, und komme auch nicht mehr aus meiner selbstgebuddelten Grube wieder raus. Als ich komplett auf Verlust stehe und nicht gut gelaunt aufgebe, begrüßen uns überraschend Nicole + Marc, die trotz aller Absagen sich dann doch entschieden hatten, einen Abstecher nach Groningen zu machen.

Aber nun was unternehmen? Der „kleene Mogul“ ist für uns viele Leute tatsächlich zu klein. Mal eben mitkommen, wie sonst früher, in den Bungalowpark, ist eigentlich undenkbar, wegen der 9+9 = 18 Minuten Fußmarsch für die Besucher. So trennten wir uns, kochten im Bungalow, und Nicole + Marc gingen alleine zum Mogul.

 

Jedenfalls ist das grundsätzlich zu beobachten:

Nebenher läuft relativ wenig gemeinsames. Wobei ich behaupte, dass alles eh schwieriger geworden ist. Gemeinsame Aktionen können vielleicht gar nicht stattfinden. Der eine hat Lust auf A, der andere auf B, und der dritte auf C. Wenn ich an die frühen Zeiten mit Christoph denke: nach der Partie in die Stadt und in den Bungalowpark. Vielleicht existiert eine einfache Busverbindung, jetzt zum neuen Bungalowpark, müsste man sich schlau machen. Oder man bildet öfter verschiedene kleine Gruppen. Also früher megaviel nebenher gemacht.

Dagegen 2008 nur ganz selten (3x) in der Metamorphose, abends gar nicht in der Stadt, schon gar nicht im Zolder oder in der Vera. Nicht einmal bei Lambertus, der seine Kneipe direkt gegenüber von der Uni hat! Nicht einmal bei FeBo (die holländische Fastfood-Kette mit den Burgern in den Fenstern zum Geldeinwerfen) - eine einzige super-köstliche Bamischeibe am Bahnhof verzehrt. Und shoppen schon gar nicht. Keine CD, kein Andenken gekauft, keine Ansichtskarte geschrieben.

Vermutlich hatten wir außerdem diesmal zu viele Lebensmittel eingekauft. Auf Bier kann ich z.B. zukünftig auch verzichten, das ist die Hin- und Herschlepperei nicht wert.

 

27.12.08, Open Runde 6)

Kai mit Schwarz gegen den Holländer van Assendelft. Gerät in eine leicht schlechtere Stellung, es deutet sich ein Endspiel mit Doppelbauer für Kai an. So in etwa kommt es auch, und Kai verliert.

Kurzremis nach 19 Zügen mein Ergebnis gegen FM Clemens, völlig in Ordnung. Er spielte in der ersten Runde remis gegen GM Levin.

Wolfgang gewinnt wieder, und auch Martin sichert sich mit einem Sieg alle Preisgeldchancen.

Spät nach Mitternacht wird unser Bungalow zum Party-Tempel umfunktioniert: im Umkreis scheint es keine weiteren bewohnte Bungalows zu geben, so können wir volle Lotte aufdrehen und bis halb 5 gut abrocken.

 

28.12., Open Runde 7)

Kai tritt gegen Daudzvardis nicht an, und verliert kampflos.

Mein Gegner, FM Vogel, hatte in der ersten Runde gegen GM van der Wiel remisiert. Ich hatte Schwarz und wählte eine super-solide Variante, so bot er nach 23 Zügen remis, und ich nahm an.

Im Compact Turnier gewinnt Martin erneut, Wolfgang kann seine Partie mehrfach gewinnen, macht am Ende aber leider nur remis.

Während meiner Partie sprach mich jemand an, als ich gerade einen Kaffee holen und meinen Kater bekämpfen wollte, ob ich mich noch erinnern könnte, ...  ja, klar Philipp, Philipp Katenbrink schoss es mir durch den Kopf. Philipp war vor mehr als 5 Jahren öfter in Groningen beim Schachturnier dabeigewesen, allerdings immer im Wuppertaler Bungalow, so konnte ich mich nicht gut erinnern. Aber selbstverständlich bot ich ihm an, den Abend bei uns zu verbringen, es gäbe Fastfood aus dem Backofen (=> Brodje Kroket, Frikandel spezial, Hühnerschenkel und Pommes). Auch Übernachtung kein Problem. So machten wir es auch.

Ich war am nächsten Morgen spät dran und der letzte in unserem Bungalow. Wolfgang ging immer recht pünktlich um spätestens 12:20 Uhr aus dem Haus, mein Ei musste ich stehen lassen; Philipp, der den Bungalow-Schlüssel bereits von Kai, der ebenfalls schon vorausgeeilt war, erhalten hatte, schloß den Bungalow ab, und wir gingen die 9 Minuten zu Philipps Auto und fuhren zur Uni, wo sich Philipp dann ca. 1h nach Spielbeginn verabschiedete.

 

29.12., Open Runde 8)

Kai gewinnt problemlos gegen den Deutschen Biedeköpper.

Ich schon wieder mit Schwarz, Gegner: FM Kuipers, ein junger ehrgeiziger Holländer. Wird sich bestimmt vorbereitet haben. Ich hatte im Turnier gegen 1.e4 einmal 1.-e5 und einmal 1.-d5 erwidert. Es ist ja so: jeder Spieler des Opens wird zumindest mit Weiß ein ausgefeiltes Eröffnungsrepertoire haben. Also ist es mir lieber, in für den Gegner eher unbekannten Gewässern zu segeln. Mit 1.-e5 habe ich definitiv noch nicht viele Turnierpartien gespielt, also entschied ich mich für 1.-d5. Kuipers legt die Partie aggressiv an, spielt 6.Lf4, 7.Dd2 und 8.0-0-0. Den Aufbau, den ich dagegen wählte, kann man offensichtlich spielen. Mein Damentausch mit 21.-Dc5+ war allerdings falsch (Tc1 übersehen), an 21.-f4 nebst 22.-e5 überlegte ich, zog ihn aber rätselhafterweise nicht. 30.-e5 dann ungenau, 30.-Tg8 sollte remis halten.

 

Martin im C-Turnier traf es noch schlimmer: mit einem Sieg wäre er ganz oben dabei und auf Preisgeldkurs. Leider geriet Martin mit Weiß in eine vermutlich ausanalysierte Variante der sizilianischen Eröffnung (vgl. Partie Nr.74 (Fritz-Analyse) in der angehängten Partiensammlung: „5.e5 letzter Buchzug Sc6 Ab hier geht es bergab für Weiß ...“), nach 9 Zügen bereits war die Partie im höheren Sinne verloren.

Wolfgang remisiert, und hat mit 3-1 Punkten bisher ein gutes Turnier gespielt.

 

Niedergeschlagen und hungrig ging es nach Hause. Wir hatten bei uns im Bungalow noch 1 kg Hackfleisch, 4 Hähnchenkeulen, 8 Frikandellen, Pommes und noch unzählige andere Köstlichkeiten.

Vor dem verschlossenen Bungalow stehend, fragten wir uns, wer den Schlüssel hat.

Wer ihn haben könnte.

Es war unglaublich, aber wahr: Philipp musste ihn haben!

 

Ziemlich perfekt gelaufen: warum hatte unser Gast eigentlich beide Schlüssel?

Antwort 1) Weil wir die Schlüssel nicht getrennt hatten (2 waren an einem Schlüsselbund)

Antwort 2) Weil Kai ihm den Schlüssel gegeben hat

Antwort 3) Weil Marcus ihn nicht um den Schlüssel gebeten hat

Antwort 4) Weil Philipp den Schlüssel nicht loswerden wollte

 

Okay, vielleicht weiß der andere Bungalow Rat:

Im anderen Bungalow wurden bereits die allerletzten Spaghetti (125 g) in den Topf geworfen, auch weil Klein-Lara Hunger anmeldete. Jürgens Magenknurren war bereits unüberhörbar, so dass es sich entschied, ein bisschen im Mülleimer rumzuwühlen. Ergebnis: Schnittwunde zweiten Grades. Aber Jürgen fand die Keksdose, die wir benötigen werden, um in den anderen Bungalow durch ein Seitenfenster einsteigen zu können. Klappte leider nicht, die Fensterdichtung hielt dicht. Mein Vorschlag, die Scheibe einzuschlagen, fand nicht allzu viele Fans.

Sowohl Philipp als auch die Vermieterin hatten beide vorsichtshalber Handy ausgestellt und die Mailboxen aktiviert, die wir bis zum Anschlag volllaberten.

Die Adresse der Vermieterin hatten wir selbstverständlich nicht.

 

Zumindest mussten wir nicht im Stehen schlafen, wenn es hart auf hart kam, für jeden war eine Art Sitzfläche vorhanden. Ich wärmte mich mit zwei, drei Whiskey ein wenig auf, und beschloss, in den Hungerstreik zu treten, wenn das hier so weitergehen sollte. Schlecht gelaunt dämmerte ich vor mich hin, langsam atmend, um nicht zu viel Sauerstoff zu verbrauchen. Wir drohten das Bewusstsein zu verlieren.

Dann geschah ca. 2 Stunden später so was wie das Wunder von Lengede:

Ein Telefon klingelte! Am Apparat ein Holländer. Martin war nun die einzige Rettung: „Den Sloedel hav we niet. Wat koen we doen? Shijf inslagen?…” Nach einer 1/4 Stunde war klar, wie es gehen könnte: wir müssen auf einen Rückruf warten, die Vermieterin ist bei einem Dinner, und es ist unklar, ob und wo Ersatzschlüssel sind.

Nach einer weiteren geschlagenen 1/4 Stunde kam der Rückruf und Martin managete eine Schlüsselübergabe noch vor Mitternacht. Zu viert (Wolfgang konnte als einziger noch fahren, Martin, Navi und ich) machten wir uns auf den Weg. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten hatten wir es endlich geschafft: das Kochen konnte beginnen, und es gab Fastfood vom feinsten.

Schade, Inge + Hendrik wollten eigentlich auch noch vorbeischauen, sind aber gerade erst von ihrer Indien-Tournee zurück, und schafften es leider nicht.

 

Rabenschwarzer letzter Tag:

Diesmal klappte mit der Abreise eigentlich alles stressloser: die letzte Runde begann erst um 11 Uhr, so dass wir trotz Bollerwagen-Hin-und-her genügend Zeit zum nicht überstürzten Ausziehen hatten.

Very very rätselhaft war dann die Entdeckung des verschwundenen Bungalow-Schlüssels unter einer Getränkekiste auf der Terrasse???!

Wie kam denn der da hin??

Einzige Erklärung für mich: Philipp hat unterwegs gemerkt, dass er den Schlüssel hat, und ist wieder zurück bis zum Bungalow. Er hatte keine Handy-Nr. von uns, und konnte auch keinen Zettel schreiben, weil ein potentieller Dieb diesen dann auch hätte finden können.

 

Aber es war noch anders, und da stellt sich die berechtigte Frage:

Warum haben wir nicht, sobald wir den Ersatzschlüssel hatten, Philipp eine SMS gesendet, dass alles paletti ist, und er den Schlüssel per Post schicken kann?

Philipp rief also irgendwann am nächsten Vormittag an, und schilderte, dass er gegen 1 Uhr seine Mailbox abgehört hatte und auch den Schlüssel dann im Auto fand. Also entschloss er sich, bevor wir da in der Kälte erfrieren, erneut den Weg Wuppertal-Groningen-Wuppertal auf sich zu nehmen!! Gegen 5 Uhr war er dann wohl an der Schranke vom Skandinavischen Dorf, lief die 15 Minuten bis zum Basislager, dann die 10 Minuten bis zum Bungalow, legte die Schlüssel (entnervt?? - warum schläft er nicht auf dem Sofa, oder schreibt ne Nachricht im Bungalow?) unter die Getränkekiste, lief die halbe Stunde zum Auto zurück, und fuhr wieder 3 Stunden zurück nach Wuppertal. Ist das nicht unglaublich! Philipp, Hut ab, und tausendfache Entschuldigung, dass es so blöd gelaufen ist!

Bem.: hat jemand die Adresse von Philipp, bzw. kann jemand diese Mail an Philipp weiterleiten, danke!

Bem.: hat eigentlich Jürgen eine Mailadresse, vielleicht kann Martin die Mail ihm ausgedruckt übermitteln? Thx.

 

Zur letzten Runde:

Wolfgang, mit einer theoretischen Preisgeldchance, war noch nicht richtig wach, da stellte er die Dame ein. Auch Martin verlor lustlos und schnell. Kai machte lustlos remis, verabschiedete sich mit dem 47.Platz.

Mein Gegner war ein 13-jähriger Youngster mit 200 ELO weniger. Er schien vorbereitet zu sein, so spielte ich anstelle vom Londoner das d4-c3-g3-System. Allmählich gewann ich Raum am Königsflügel, spielte aber nachlässig und ungenau: 23.fe6: hätte wohl einen Bauern gewonnen, und 30.e5 war Unsinn: 30. Sf4 ist richtig. 32.-Se5: ! dann überhaupt nicht gesehen. Setzte dann richtig schlecht fort und konnte nach 42 Zügen verdientermaßen aufgeben. So landete ich „erwartungsgemäß“ auf dem 56.Platz, und konnte meine ELO-Zahl ein wenig verbessern. Die letzten beiden Partien hätte ich nicht verlieren dürfen, dann hätte man von einem guten Turnierergebnis sprechen können.

Fazit: mit Weiß einen halben Punkt aus 4 Partien (ELO-Schnitt 2250): geht gar nicht. Gerade bei den Weißpartien sollte ich mit einem Zeitvorteil aus der Eröffnung kommen. Mit Schwarz 50 % gegen einen ELO-Schnitt von 2323 ist dagegen völlig okay.

Insgesamt trotz relativer Erfolglosigkeit ein wunderbares Turnier, man kann sagen: die Holländer (z.B. Co-Sieger Swinkels) und die Inder kommen, allen voran der 14-jährige russische Inder Anish Giri, der in Groningen seine zweite GM-Norm erzielte, und Vierter wurde.

 

Wolfgang brachte mich netterweise noch bis zum Bahnhof nach Leer, von wo ich dann weiterkam und um 22:30 Uhr in Clausthal landete.

Das Zusammenleben in den Bungalows war größtenteils harmonisch, auch wenn es immer schwieriger wird, gemeinsam was zu unternehmen.

Jedenfalls freue ich mich schon auf Groningen in diesem Jahr, und warum sollten wir nicht wieder diese Bungalows mieten, wir müssen nur an Boot, Elektrobollerwagen oder Klapprad mit Anhänger denken, zumindest an ein Schloß zum Bollerwagen-Anschließen am Basislager.

 

Euch ein schönes 2009,

liebe Grüße,

Marcus

 

P.S. Die von Fritz kommentierten Partien findet Ihr am Ende der angehängten Partiensammlung, es sind die Patien 301-309.

 

(Marcus Dehn, 04.01.2009)

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